Montevideo

Etwas zu früh sind wir in Montevideo eingetroffen, wie wir erfahren haben, kommt unser Bobil erst Ende dieser Woche an und wir sollten es am kommenden Montag in Empfang nehmen können. Daher werden wir nun für ein paar Tage nach Buenos Aires fahren, was ja quasi auf der anderen Seite des Rio Plata ist, per Bus und Fähre in gut 3 Stunden erreichbar.

 

Vorher aber teilen wir gerne unsere ersten Eindrücke von Montevideo mit Euch. Erster Eindruck: eine kleine, entschleunigte Metropole mit ausserordentlich freundlichen und hilfsbereiten Bewohnern. Der Flugplatz ist top modern und übersichtlich, Express Busse (COTbus, welche Gepäck mitnehmen) fahren regelmässig zur Busstation Tres Cruces und von dort kann man einen Stadtbus nehmen (24 URU) oder mit grossem Gepäck ein Taxi (Remise Service hat Fixpreise). Im Hotel Puerto Mercado in der Ciudad Vieja haben wir eine gute Unterkunft gefunden, und dank einer Vorausbuchung auch einen prima Preis erhalten. Sehr hilfsbereites und freundliches Personal, top Lage, gutes reichhaltiges Frühstücksbuffet und saubere gute Zimmer.

Die eigentlichen Sehenswürdigkeiten lassen sich gut in 1-2 Tagen zu Fuss erkunden, wir haben uns jedoch etwas mehr Zeit genommen uns in die Stadt hinein zu fühlen. Die Altstadt ist etwa so gross wie die Altstadt von Winterthur, mit Fussgängerzone, vielen Museen und wunderbaren ArtDeco- und Kolonialbauten, mal frisch herausgeputzt, mal in weniger gutem Zustand, aber allesamt mit Charme. Auffallend ist, dass viele Strassen kleine, von Bäumen gesäumte Alleen sind. Trotz des Charmes scheint das Geld nicht unbedingt in die Infrastruktur zu fliessen, Gehwege sind oft alt oder kaputt, werden aber von den Anwohnern selbst ordentlich gehalten. In der Altstadt gibt es einige schöne Strassencafés und man isst gut. Zum Beispiel im Sin Pretensiones aber auch nebenan im Lucca. Auch ein Dessert mit Dulce de Leche (Milch-Karamellcreme mit Vanillezucker) darf nicht fehlen. Auffallend ist aber auch, wie hoch die Preise sind, irgendwo zwischen deutschem und schweizer Preisniveau. 10% Trinkgeld ist in Restaurants üblich, aber wenn man mit einer ausländischen Karte bezahlt, dann bekommt man die 20% MwSt rückerstattet (direkt von der Rechnung abgezogen).

 

Nebst beeindruckenden Gebäuden wie dem Palacio Salvo und gepflegten Plätzen, hat uns das Gaucho und das Anden Museum sehr gefallen. Im Gaucho Museum werden die Traditionen der Viehhüter und deren Einfluss auf das heutige Uruguay erläutert und mit schönen Exponaten (Silber und Kunsthandwerk) ergänzt. Im Museo Andes 1972 wird auf eine feinfühlige Art auf den Flugzeugabsturz im Jahre 1972 in den Anden zwischen Chile und Argentinien eingegangen. Feinfühlig und dennoch interessant, da der Fokus nicht auf der Tragödie und dem kontrovers diskutierten  Entschluss der Gruppe zum Thema Ernährung liegt, sondern vielmehr auf dem Überlebenswillen, der Solidarität, Teamwork und Innovationsgeist der Überlebenden (alles Uruguayer), welche der lebensfeindlichen Umgebung auf knapp 4000 Metern 72 Tage trotzten.

 

Wir haben uns durch das (etwas laute) Zentrum treiben lassen, Stadtmärkte besucht (z.B. Feria de Tristan Narvaja, eine kuriose Mischung aus Wochenmarkt mit Lebensmittel, Kunsthandwerk, Kitsch/Kleider und Flohmarkt) kleine Geschäfte gesucht und gefunden (Autozubehör Verkauf, Gasfüllstationen etc.) mit Einheimischen (z.B. beim Asado im Mercado de la Abundancia: sehr empfehlenswert) gesprochen und einen langen Spaziergang der Uferpromenade entlang, durch Parks und entlang des Stadtstrandes nach und durch Pocitos (Wohngebiet der Mittelschicht) gemacht (20km Fussweg).

 

Von Einheimischen hört man immer wieder wie sicher die Stadt sei und auf dem Land sei es noch viel ruhiger und sicherer. Natürlich sei auch bei ihnen viel im Umbruch (und Obdachlose und Bettler gehören leider auch hier zum Stadtbild, Inflation und Überschuldung durch Kredite sind weitere Probleme) aber nicht umsonst würden sie auch die Schweiz von Südamerika genannt. Die Wirtschaft ist seit rund 10 Jahren in einem sanften Aufschwung, die Arbeitslosigkeit liegt bei unter 8% und rund 60% gehören zur Mittelschicht, wobei die Schere zwischen Reich und Arm kleiner ist als in manch anderem Land. Das öffentliche Gesundheitswesen ist kostenlos und es besteht Schulpflicht (kostenlos und modern). Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der 8-Stunden Tag, Mindestlöhne und Renten-und Arbeitslosenversicherung eingeführt.

 

Und was ist uns sonst noch so aufgefallen? Die anfänglich beschriebene Freundlichkeit (zum Beispiel auf dem Stadtamt und beim Grimaldi Agent) und das Fehlen von künstlicher Hektik genauso wie die Liebe fürs Fleisch aber auch für neue Trends wie Vegi und Bio. Zur Zeit scheint ein Trend für extreme Plateausohlen zu bestehen und der Kleidergeschmack ist betont leger, keiner hat die Ambition einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Die Leute sind sehr sportlich (Fahrrad, Joggen etc.) aber haben mehrheitlich keine sportlichen Figuren. In Pärken und auch auf kleinen Plätzen gibt es anstelle von Vitaparcours kleine outdoor Fitnessstudios für jedermann (diverse Geräte, welche auch rege genutzt werden). Katzen sieht man, aber jeder zweite führt einen Hund gassi, bzw. die Hunde führen sich gegenseitig oder alleine gassi (Hunde, die die eigene oder die Leinen von anderen Hunden im Mund haben). Die Restaurant in der Innenstadt und Altstadt sind alle offen fürs Mittagessen (bis in den späten Nachmittag hinein) machen aber fast alle um 18 Uhr zu. Selbst das Asado (Urug. BBQ / Grillrestaurants: wirklich empfehlenswert ist es am Grill selbst zu sitzen und zuzuschauen, wie die Kohle des im Feuerkorb brennenden Feuers regelmässig unter den Grill geschoben wird, um die ideale Gar Stufe fürs jeweilige Fleisch zu erlangen) macht um 18.30 zu. Die Lebensmittelläden haben bis ca. 20 Uhr auf.

 

Und zu guter Letzt: immer und überall präsent ist der Mate Tee (siehe Bild). Egal ob an der Bushaltestelle wartend (oder der Busfahrer selbst), beim Schlendern in der Passage, beim Date am Strand oder beim Autofahren, immer sieht man die Leute (egal ob jung oder alt, egal ob weiblich oder männlich) mit der Thermoskanne unter den Arm geklemmt und der Calabasa (das Trinkgefäss) vollgestopft mit Mate Tee und darin dem Bombilla (Trinkhalm aus Metall) in der Hand. Ein Schluck heisses Wasser dazu giessen und am Trinkhalm ziehen, so kann man den ganzen Tag verbringen, Schluck um Schluck. Natürlich gibt es dazu auch allerhand Zubehör, eine eigene Thermos/Calabassa Umhängetasche (teilweise schöne Leder Arbeiten, sieht man oft) bis hin zu eleganten (Leder-) Picknicksets mit eingearbeiteter Thermoskannen Halterung.